Rico Schuster . HP Psychotherapie
Rico Schuster . HP Psychotherapie 

"Der vergebliche Versuch zu kontrollieren"

Das Anliegen des Aufstellenden

Alexander* spürt in seinem beruflichen wie privaten Leben viel Gegenwehr von außen, so kommt es ihm zumindest vor, und er stellt sich die Frage, woher das rührt.

Seine Wirbelsäule sei schon kaputt und er habe keinen Zugang zu seinen Emotionen.

Er frage sich daher auch, was ihn davon abhält, sich selbst zu fühlen.

Sein Anliegen für die Aufstellung lautet: Er möchte sich diesen „Kontrollkreis“ anschauen, um da heraus zu kommen.

Die Herkunftsfamilie

Alexander kommt aus einer Familie, in der es nach seiner Einschätzung keine einzige psychisch gesunde Person gibt.

Er ist ein Einzelkind, väterlicherseits sei seine Oma schizophren gewesen, sie sei von seinem Opa vergewaltigt worden und in einer psychiatrischen Anstalt an TBC gestorben.

Auch sein Opa habe an einem Wahn gelitten. Sein Vater sei mit seinen Geschwistern in einem Heim groß geworden und später Alkoholiker gewesen. In seiner mütterlichen Herkunftsfamilie habe es viel Gewalt gegeben und die Kinder seien von Großvater und Großmutter immer wieder verprügelt worden.

Die Schwester der Mutter leide unter Phobien, seine Mutter sei ein äußerst kontrollierter Mensch.

Die Szene

Als ich Alexander auffordere, einen Stellvertreter für sein Anliegen aufzustellen, wählt er eine Fraun

Es entwickelt sich folgender Dialog zwischen dem Anliegen (A) und Alexander (Alex)

A: „Ich spüre Wut und Aggression, ich fühle auch Angst, Herzklopfen und Zittern.“
Alex: „Ich muss mich konzentrieren, um nicht zu Boden zu gehen.“
A: schlägt ihm vor: „Wir setzen uns auf den Boden und du lehnst dich an mich an.“

Das Anliegen und Alexander setzen sich auf den Boden und Alexander lehnt sich mit dem Rücken an.

Er kann sich aber nur zum Teil entspannen, er merkt das und sein Anliegen fühlt dies ebenso.

Ich schlage Alexander vor, zu seinem Anliegen zu sagen:

„Bei meiner Mama hab ich immer Angst gehabt. Wenn ich Halt brauche, erträgt sie es nicht.“
Alex: „Ich konnte mich in meiner Kindheit nirgends anlehnen, weil die anderen zu schwach waren, meine Mutter besonders.

Ich habe ständig im Kopf gehabt, ich mache was kaputt. Ich habe als Kind gelernt,  sich anlehnen ist gefährlich.

Tief innen in mir sitzt dieses Misstrauen. Und ich merke jetzt, wie ich im Kopf bin und mich spalte.“

Ich schlage Alexander vor, eine Stellvertreterin für seine Mutter aufzustellen.

Aufgestellt geht diese suchend hin und her, ihren wirren Blick zur Decke gerichtet.

Das Erscheinen der Mutter alarmiert das Anliegen und Alexander.

Beide stehen nun auf und Alexander setzt sich mit dem Rücken zur Wand, um seine Mutter nicht hinter sich zu haben.

Er ist jetzt wieder sehr angespannt und voll auf sie fixiert.

Ich mache Alexander darauf aufmerksam, dass es diese Spaltung in ihm gibt.

Ein Teil in ihm hat Angst vor der Mutter und versucht sich vor ihr in Sicherheit zu bringen.

Der andere hat den sehnlichen Wunsch, sich an der Mutter anlehnen zu können, weshalb er als sein Anliegen eine Frau gewählt habe.
Alex: „Ich weiß, ich bin verstrickt. Ich weiß, ich will meine Mutter loslassen, habe aber Angst, sie loszulassen.“

Ich schlage Alexander vor, den kleinen Alexander in ihm aufzustellen.

Alexander wählt einen Stellvertreter für das ca. dreijährige Kind in ihm.

Kind zu Alex: „Meine Beine sind schwer, meine Füße sind schwer, ich habe überall Schmerzen und wundere mich, wie du das bislang ausgehalten hast. Ich möchte die Mutter am liebsten an die Wand klatschen.“

Er geht daraufhin weg von Alexander.

Alexander versucht vergeblich Kontakt mit diesem Kind ihn ihm aufzunehmen.

Es hört ihm nicht zu, weil es nur auf der Flucht vor der Mutter ist.

Alexander will ihm helfen, aber sein Anliegen sagt ihm jetzt, es gehe nicht um das Helfen.

Es geht darum, diese Situation, wie sie jetzt ist, als Realität anzunehmen und seine nach wie vor vorhandene Verstrickung mit seiner Mutter zu sehen.

Ich bestätige dies und mache Alexander darauf aufmerksam, dass er seine Kontrollversuche erst dann aufgeben kann,

wenn er bereit ist, sich endgültig von seiner Mutter zu lösen.

Das Verhalten seiner Mutter zu kontrollieren oder seine Gefühle im Verhältnis zu seiner Mutter unter Kontrolle zu bringen, sei nicht möglich und führe daher zu der Spaltung, die jetzt sichtbar geworden ist.

Alexander ist überrascht, wie eindeutig die Aufstellung seine noch nicht gelöste symbiotische Verstrickung mit seiner Mutter ans Licht gebracht hat.

Er weiß jetzt, dass seine Probleme und die Widerstände nicht im Außen liegen, sondern in ihm selbst.
 

 

Erläuterung der Aufstellung

Alexander fand als Kind keinen Halt bei seiner traumatisierten Mutter.

Sie hält es mit sich selbst kaum aus und überträgt ihre Ängste auch auf ihr Kind.

Wenn Alexander daher im Kontakt mit seiner Mutter ist, muss er diese Gefühle in sich unterdrücken und sich spalten.

Ein Anteil in ihm möchte seiner Mutter vertrauen und sich an sie anlehnen, ein anderer Teil kann ihr überhaupt nicht vertrauen.

Daher versucht dieser, sich vor ihr in Acht zu nehmen, indem er vor ihr flieht, sie beobachtend kontrolliert, was sie tut.


Diese Aufstellung kann Alexander dazu dienen zu verstehen, dass die Widerstände, die ihm in seinem jetzigen Leben begegnen, die Folge der Verstrickung mit seiner Mutter sind.

Der Ausdruck seiner Spaltung in einen Anteil, der Nähe und Halt sucht und in einen anderen Anteil, der unter einem enormen Druck steht und nach wie vor seine Mutter fürchtet wurden sichtbar gemacht.

Seine Überlebensstrategie, Nähe und Kontakt mit anderen Menschen haben zu wollen und gleichzeitig Angst vor ihnen zu haben - sie und seine eigenen Gefühle daher beständig kontrollieren zu müssen - führt zu einer permanenten Überforderung und Überlastung.

Diese Beanspruchung versetzt auch seinen Körper in eine so hohe Spannung, dass bereits die Wirbelsäule darunter leidet.


Er muss daher diese Überlebensstrategie, seine eigenen Gefühle und die anderer Menschen kontrollieren zu wollen, als Illusion erkennen. Als etwas, was nicht machbar ist und seinen Ursprung in seinem Verhältnis als Kind zu seiner traumatisierten Mutter hat.

Erst dann kann er daran gehen, die Traumatisierung, die er durch die Bindung an seine Mutter erlebt hat, als Realität anzuerkennen. Dann kann er den Willen in sich weiter entwickeln, die Spaltung in seinem Inneren überwinden.

Damit es auch im Äußeren leichter für ihn wird und er seine privaten wie beruflichen Ziele tatsächlich erreichen kann.

 

*Name geändert



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